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Differentialart und Charakterart?

nikeldas

Einzeller
Hi,

für eine Arbeit in der Geobotanik/Vegetationsökologie verstehe ich etwas nicht:

Was ist der unterschied zwischen der Differentialart und Charakterart? In einer Gesellschaft können gleichzeitig Differentialarten und Charakterarten vorkommen. Sie sind aber nie die selben Arten, richtig?

Kann die Differentialart auch Assoziationen voneinander trennen? Falls ja, was macht denn dann die Charakterart so verschieden von der DA?
Und wie spielt denn da noch die Begleitart mit rein?

Vielleicht kennt sich ja jemand aus und kann mir helfen. Bin etwas verzweifelt...

Danke :)Nikeldas
 

nikeldas

Einzeller
Danke dür die Antwort :)
Aber die ganzen Artikeln aus den Lexika können mir das irgendwie nicht begreiflich machen...Kommen denn jetzt Differentialarten NUR in den entsprechenden Syntaxa vor, sonst nirgends?
Und wie unterscheiden sich Kennarten von Begleitarten?
Gibts denn da überhaupt einen Konsens?
 

cigouri

Säugetier: Eutheria
Danke dür die Antwort :)
Aber die ganzen Artikeln aus den Lexika können mir das irgendwie nicht begreiflich machen...Kommen denn jetzt Differentialarten NUR in den entsprechenden Syntaxa vor, sonst nirgends?
Und wie unterscheiden sich Kennarten von Begleitarten?
Gibts denn da überhaupt einen Konsens?
Ich nehme an, dass du Geographie, Geologie oder eine andere Geo-Wissenschaft studierst.

Leider kennen die meisten Biologen sich nicht besonders gut mit der Pflanzensoziologie und Geobotanik nach Braun-Blanquet aus. Die richtigen „Könner“ dieses sehr schwierigen „Zweiges“ der Biologie findet man – zumindest meiner Erfahrung nach- viel häufiger bei Geo-Wissenschaftlern als bei Biologen.

Ich versuch trotzdem mal mein Glück, es kann aber durchaus sein, dass du da sowieso mehr drüber weißt als ich.

Allgemein ist eine Charakterart eine Art, die man vorwiegend (nicht ausschließlich aber doch praktisch fast immer) in einer bestimmten Pflanzengesellschaft oder Assoziation findet.

Differentialarten oder Trennarten kommen nicht vorwiegend sondern in mehreren verschiedenen Pflanzengesellschaften vor.

Man nennt ja z. B. sämtliche Formen des Eichen-Buchen-Mischwalds nach Braun-Blanquet Querco-Fagetea . Hier bei uns sind das z. B. Wälder in denen die Stieleiche und die Rotbuche vorkommen im Mittelmeerraum ist es dann eher die Mediterrane Eiche und andere Buchenarten.

Wenn jetzt in einem großen Eichen-Buchen-Mischwald-Gebiet (also in einem Querco-Fageteum) zusätzlich noch ein oder ein paar kleinere Gebiete vorkommen, in denen du mal weniger (oder sogar gar keine) Eichen findest sondern nur (oder fast nur) Buchen und als Bodenvegatation noch viel Waldmeister, dann kannst du diese kleinere und begrenzte Region innerhalb des Querco-Fageteums als ein Galio odorati-Fagetum also als einen Waldmeister-Buchenwald bezeichnen.

Waldmeister (Galio odorati) ist dann -meiner Meinung nach- die Charakterart, anhand derer man dann sagen kann: Aha! Hier haben wir also wahrscheinlich innerhalb eines Querco-Fageteums ein kleines, nettes Galio odorati-Fageteum. Wenn man sich aber nicht ganz sicher ist ob es wirklich ein Galio odorati-Fagetum ist (Waldmeister kann nämlich nicht bloß eine Charakterart sondern auch eine Trennart sein, je nachdem). Dann schaust du einfach mal nach ob du zusätzlich noch ein paar typische Trennarten des Galio odorati-Fagetums findest. Zum Beispiel an lichten Stellen das Hohe Schwingelgras (Festuca altissima) oder ein paar Wurmfarn (Dryopteris affinis) Pflanzen. Das sind Trennarten, die nicht in allen Galio odorati-Fagetea vorkommen, aber wenn du in diesem Waldareal praktisch nur Buchen (keine oder kaum Eichen), am Boden relativ viel Waldmeister und noch hier und da ein wenig Schwingelgras und Wurmfarn findest, kannst du dir ziemlich sicher sein, dass dieses Areal ein innerhalb enes größeren Querco Fageteum gelegenes Galio odorati-Fageteum ist.

Pflanzensoziologie ist keine absolut exakte Wissenschaft, sondern eher 'ne Kunstform. Man braucht (Wie mir ein Geograph, der das wirklich gut beherrschte) eher so was wie „Intuition“ und einen "guten Blick"um eine Pflanzengesellschaft gut zu charakterisieren. Es kommt wohl auch nicht selten vor, dass ein Geeobotaniker z. B, sagt : "das hier ist definitiv ein Galio odorati-Fageteum " und ein anderer sagt "Nö, Quatsch, das ist ein Hordelymo-Fagetum" weil da auch noch ein bissel Waldgerste wächst. Es ist oft sehr schwer zu sagen, ob eine Art jetzt 'ne Charakter- oder 'ne Trennart ist und da gibt's wohl auf Geobotaniker-Kongressen auch öfters mal "Zoff", weil jeder Geobotaniker was anderes sagt (Hat man mir zumindest so erzählt)

Tut mir leid, dass ich hierzu nur so wenig sagen kann. Ich bin zwar Biologe, aber eher biochemisch-molekularbiologisch orientiert.

VLG :)
 

cigouri

Säugetier: Eutheria
Danke dür die Antwort :)
Aber die ganzen Artikeln aus den Lexika können mir das irgendwie nicht begreiflich machen...Kommen denn jetzt Differentialarten NUR in den entsprechenden Syntaxa vor, sonst nirgends?
Und wie unterscheiden sich Kennarten von Begleitarten?
Gibts denn da überhaupt einen Konsens?
Ach so, du hattest ja nach einem Konsensus bezüglich des Unterschieds zwischen einer Kennart(Charakterart) und einer Begleitart gefragt. In diesem Link habe ich folgnde Aussage hierzu gefunden:

„Als Begleitart wird in der Pflanzensoziologie eine Pflanzenart bezeichnet, die in der pflanzensoziologischen Systematik weder charakterisierende noch differenzierende Eigenschaften hinsichtlich der Bindung an eine Pflanzengesellschaft oder an ein pflanzensoziologisches Syntaxon aufweist, weil ihre Vorkommensamplitude zu weit streut. Neben Begleitarten gibt es in der Pflanzensoziologie Charakterarten und Differentialarten.

Die Einstufung „Begleitart“ ist relativ. Ob eine Pflanzenart als Begleitart anzusehen ist, hängt von der betrachteten Pflanzengesellschaft oder Syntaxon ab. Selbst weit streuende Pflanzenarten (z. B. Taraxacum officinale) sind nicht per se Begleitarten, sondern können z. B. am Rande ihres Verbreitungsareals als Charakter- oder Differentialart bedeutsam werden“

Aus: https://www.biologie-seite.de/Biologie/Begleitart

Hier ist noch eine Bewertung unterschiedlicher pflanzensoziologischer Gemeinschaften für das Bundesamt für Naturschutz von einer Fana-Flora-Habitat-Arbeitsgruppe:

https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/monitoring/Dokumente/Bewertungsschemata_LRT_Sept_2010.pdf

Ist leider etwas lang (83 Seiten) aber, da findest du Beispiele.

Ein Syntaxon (Plural Syntaxa) ist auch was vollkommen anderes als ein Taxon in der phylogenetisch-evolutionsbiologischen Systematik. Bei letzterer ist ein Taxon jede mögliche Hierarchiestufe innerhalb des phylogenetischen Systems der Arten. Ein Taxon kann hier eine Art sein, aber auch eine Gattung, eine Familie, eine Unterfamilie, …., ein Stamm (aber immer etwas, das phylogenetisch irgendwie zusammenhängt)

Syntaxa sind – so wie ich es verstanden habe – wohl eher mehrere Arten (z. B. Pflanzenarten). Die aber durchaus aus Mitgliedern verschiedener Pflanzenfamilie stammen können (also phylogenetisch durchaus divers sein können).

Ein weiteres Problem bei der Pflanzensoziologie ist, dass die Pflanzengesellschaften oft fließend ineinandwr übergehen und sich auch dynamisch verändern (sog. Sukzessionen). Aus einem Sumpf-Moor kann ja erst ein eher trockenes Hoch-Moor, dann eine Birkenwaldgemeinschaft, dann z. B. ein Querco-Fageteum usw. entstehen.
Und was das ganze dann so richtig kompliziert macht ist, das man eine Charakterart auch unter bestimmten Umständen als Trennart oder als Begleitart aufasse kann.
Also eher NEIN, ein ganz klarer Konsensus besteht offenbar nicht (weiß es aber leider nicht wirklich genau). Es scheint wohl eher variabel zu sein und hängt von den Arten ab, die man in einem bestimmten Gebiet findet. Pflanzensoziologen, sammeln oder zählen meistens alle Spezies in einem Gebiet und dann wird entschieden, was Charakterart, Trennart oder Begleitart ist (die machen auch viel Statistik). Dazu nehmen Pflanzensoziologen zur Entscheidungshilfe, welche Pflanzengemeinschaft denn nun tatsächlich vorliegt auch immer zusätzlich noch geophysikalische Parameter (Bodentyp, Mineralien, Gestein-Ja oder Nein, Boden pH, Durchschnittstemperatur, Feuchtigkeit etc) in ihre Bewertungen mit dazu.
 
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