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Hilfe zum Gentransfer bei der Gentherapie

  • Hat das Thema erstellt Phosphor
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Phosphor

Gast
Hallo,

Ich habe eine Frage, die mir vielleicht hier jemand beantworten kann:

Bei der (somatischen) Gentherapie gibt es ja prinzipiell die Möglichkeit, die defekten Gene des Patienten zu entnehmen, sie in Zellkulturen mit "gesunden Genen" zu versorgen und sie dann zu reimplantieren (also ex vivo bzw. in vitro). Dann gibt es aber auch noch die Möglichkeit, das gesunde Gen direkt in die betroffenen (kranken) Körperzellen einzuschleusen (also in vivo).
Soweit ist mir das klar.

Ich habe nun etwas über Methoden des Gentransfer gelesen, d.h., wie man die gesunden Gene in die kranken Zellen bringt. Dazu gibt es (nach meinen Quellen) ungefähr folgende Methoden:

- das gesunde genetische Material in einen Vektor (Vehikel) packen (z.B. Viren, Plasmide, Liposomen ...) und dann in die Zellen einschleusen
- das gesunde genetische Material per elektrischer Ladung/Elektroporation in die Zellen bringen
- das gesunde genetische Material per Mikroinjektion in die Zellen bringen

Meine Frage ist bloß: Welcher dieser Gentransfermethoden wird bei in-vivo-, welche bei ex-vivo-Gentherapie angewandt? Oder spielt das keine Rolle?

Wäre wirklich sehr, sehr schön, wenn irgendjemand etwas dazu wüsste, ich finde nämlich überall diese verschiedenen Transfermethoden, aber nirgends eine Antwort auf die Frage, ob sie erst außer- oder gleich innerhalb des Körpers angewandt werden.

Mir persönlich scheint die erste aufgezählte Methode in vivo, die zweiten ex vivo abzulaufen, aber ich weiß es einfach nicht.

Danke im Voraus und viele liebe Grüße!
 

Joffi

Moderator
Moderator
Grüß Dich,

ich hangel mich mal an Deinem Text entlang, meine Beiträge mit "***":

Bei der (somatischen) Gentherapie gibt es ja prinzipiell die Möglichkeit, die defekten Gene des Patienten zu entnehmen, sie in Zellkulturen mit "gesunden Genen" zu versorgen und sie dann zu reimplantieren (also ex vivo bzw. in vitro).
***Man entnähme hier Stammzellen, um Zellen zu erhalten, die der Zielkörper ohne Probleme akzeptieren kann. Diese Methodik hat allerdings derzeit noch grasvierende Nachteile. Stammzellen würden z.B. keine kompletten Organe ersetzen können etc.

Dann gibt es aber auch noch die Möglichkeit, das gesunde Gen direkt in die betroffenen (kranken) Körperzellen einzuschleusen (also in vivo).
*** Jepp, so ist es.

Ich habe nun etwas über Methoden des Gentransfer gelesen, d.h., wie man die gesunden Gene in die kranken Zellen bringt. Dazu gibt es (nach meinen Quellen) ungefähr folgende Methoden:
- das gesunde genetische Material in einen Vektor (Vehikel) packen (z.B. Viren, Plasmide, Liposomen ...) und dann in die Zellen einschleusen
- das gesunde genetische Material per elektrischer Ladung/Elektroporation in die Zellen bringen
- das gesunde genetische Material per Mikroinjektion in die Zellen bringen
***Hier sind ein, zwei Sachen durcheinander gekommen. Das Plasmid z.B. (aus deinem ersten Punkt) könnte man z.B. per Elektroporation (aus deinem zweiten) oder per Mikrounjektion (dritter) oder Liposom (erster) in eine Zelle bringen. Deine drei Punkte sind also im Grunde ein einziger.

Meine Frage ist bloß: Welcher dieser Gentransfermethoden wird bei in-vivo-, welche bei ex-vivo-Gentherapie angewandt? Oder spielt das keine Rolle?
*** Die Wahl der Transfektionsmethode spielt eine entscheidende Rolle. Solange wir uns in Zellkultur befinden, können wir jede Deiner gelisteten Methoden anwenden, das spielt keine Rolle. Aber im lebenden Organismus sind die meisten nicht praktikabel. Hier verwendet man derzeit beinahe ausschließlich virale Vektoren. Die haben den Nachteil, dass sie fast alle in der Leber landen, statt überall gleichmäßig. Ist derzeit noch ein ungelöstes Problem. Im Tierversuch funktioniert auch, Plasmide direkt in einen Muskel zu injizieren und dann per Elektroporation zu transfizieren. Dabei handelt es sich allerdings nur um sog. transiente Transfektion, d.h. das Plasmid integriert nicht ins Zielgenom und wird bleibt daher nur einige Tage oder Wochen aktiv bevor es eliminiert wird.
Soviel vielleicht erstmal. Wenn noch Fragen sind, nur zu :)
 
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Phosphor

Gast
Hallo und vielen Dank für die schnelle Antwort!

Ich muss allerdings gleich auf dein nettes Angebot zurückkommen und eine Rückfrage stellen: Für die in-vivo-Therapie benötigt man auf jeden Fall Vektoren. Prizipiell könnten virale und nicht-virale Vektoren angewandt werden, allerdings verwendet man die nicht-viralen aus dem Grund nicht, weil die Genexpression transient wäre. Stimmt das?

Und die zweite Frage wäre: Habe ich das richtig verstanden, dass diese chemischen und physikalischen Transfermethoden wie z.B. Elektroporation in der Zellkultur angewandt werden müssen? Bzw.: Welche Methoden können denn nicht im lebenden Organismus angewandt werden?
Und: Braucht man diese chemischen und physikalischen Transfermethoden, um die Vektoren bei der Injektion zu "unterstützen"?

Wenn ich schon wieder etwas durcheinandergebracht habe, tut es mir leid, aber ich versuche mein Bestes. Wäre wirklich toll, wenn ich noch mal eine so schnelle und verständliche Antwort bekäme!

Liebe Grüße
 

Joffi

Moderator
Moderator
Und ich hangel wieder (*** = ich):

Für die in-vivo-Therapie benötigt man auf jeden Fall Vektoren. Prizipiell könnten virale und nicht-virale Vektoren angewandt werden, allerdings verwendet man die nicht-viralen aus dem Grund nicht, weil die Genexpression transient wäre. Stimmt das?
*** Das Wort "Vektor" bedeutet hier nur "irgendetwas, was die Info reinbringt". Entsprechend könnte man eine Unterscheidung treffen zwischen viral und nicht viral, ja. Und eben so, wie Du es hingeschrieben hast, wäre es dann korrekt, ja. Eine weitere Einschärnkung der nicht-viralen Systeme ist bisher, dass nur ganz bestimmte Gewebe damit verändert werden können. Geglückt ist es bisher nur mit Muskelgewebe, soweit ich weiss.***

Und die zweite Frage wäre: Habe ich das richtig verstanden, dass diese chemischen und physikalischen Transfermethoden wie z.B. Elektroporation in der Zellkultur angewandt werden müssen?
*** "Müssen" vielleicht nicht. Es steht einem eine große Auswahl zur Verfügung verschiedenster Techniken, um Zellen in Kultur genetisch zu verändern. Es spielt im Grunde keine Rolle, welche man wählt (Liposomen, CaPhosphat, Viral, Elektroporation, Partikelkanone etc.pp.). Je nach Zelltyp ist die eine oder andere effizienter oder kostengünstiger oder schneller oder...***

Bzw.: Welche Methoden können denn nicht im lebenden Organismus angewandt werden?
*** Wie gesagt kann fast keine davon im lebenden Organismus angewendet werden. Das liegt je nach Methode an unterschiedlichen Gründen. Mit der Partikelkanone könnte man nur bis in die oberste Zellschicht der Haut schießen => bringt nix. CaPhosphat-Kristalle müssen auf Zellen aufliegen, um zu wirken und benötigen sich teilende Zellen => bringt nix. Elektroporation erklärt sich von selbst, man kann schlecht alle Organe unter Starkstrom setzen. Außerdem müssten man alle paar Millimeter des Körpers eine Injektion setzen und das Ergebnis wäre nur transient => bringt nix. Und so weiter und so fort.***

Und: Braucht man diese chemischen und physikalischen Transfermethoden, um die Vektoren bei der Injektion zu "unterstützen"?
***Hier liegt vielleicht ein Mißverständniss vor. Die chemischen und physikalischen Methoden dienen dazu, ein Plasmid in den Zellkern zu bekommen. Das können sie selbst, sind also nicht "unterstützend", sondern selbst der Mechanismus. Ich vermute, Du spielst auf die Elektroporation im Muskel an: Hier wird ein Plasmid ins Gewebe injiziert, um es einfach in die Nähe der Zellen zu bringen. Dann folgt physikalisch der Stromstoß, der die Zellen kurzzeitig perforiert und damit das Plasmid eindringen kann.
 
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Phosphor

Gast
Hallo und danke! ;)

- Und diese Plasmid-Geschichte funktioniert nur bei Tieren? Ich dachte neulich, sie im Zusammenhang mit der Behandlung von Menschen gelesen zu haben. Oder geht das auch und sie ist einfach nicht effizient?

Ansonsten ist für's erste alles klar...

Ach ja: Wüsstest du zufällig, wo man gute/aktuellen Literatur zum Thema Gentransfer oder Gentherapie allgemein finden könnte bzw. weißt du konkret irgendwelche Bücher oder zuverlässige Quellen im Netz?

Liebe Grüße
 

Joffi

Moderator
Moderator
Ohne jeden Zweifel funktioniert diese "in vivo Elektroporation" auch bei menschlichem Muskelgewebe, da es keinen prinzipiellen Unterschied gibt zu einem Mausmuskel. Ich habe allerdings bisher nicht davon gehört, dass das gemacht wurde. Mag natürlich trotzdem sein. Ich wüsste nur nicht genau zu welchem Zweck. Denn das Ziel der Gentherapie ist ja nun die Reparatur defekter Erbgutabschnitte und dieses Ziel erreicht man dadurch nicht.

Wirklich gute Bücher oder Internet-Quellen habe ich leider gerade nicht parat, sorry. Vielleicht weiß jemand anders da noch was?
 
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Phosphor

Gast
In-vivo-Elektroporation? Widerspricht das nicht "Elektroporation erklärt sich von selbst, man kann schlecht alle Organe unter Starkstrom setzen. Außerdem müssten man alle paar Millimeter des Körpers eine Injektion setzen und das Ergebnis wäre nur transient => bringt nix"?
 

Joffi

Moderator
Moderator
Aus genau diesem Grund ist das ja auch nur für eine ganz lokale Anwendung im Muskel praktikabel (vgl. "in Mäusen geht auch...").
 
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Phosphor

Gast
Ach so, hab' ich mal wieder durcheinandergebracht.

Noch eine (für dich wahrscheinlich weniger komplizierte) Verständnisfrage, die sich mir ergeben hat: Überall lese ich, dass man zum Einschleusen des genetischen Materials in Zellen uuunbedingt Vektoren braucht. Wenn man ein Plasmid (auf welche Weise auch immer) injiziert, ist das doch aber "nackte" DNA und somit kein Vektor. Oder kann das Plasmid als Vektor gelten?
 

Joffi

Moderator
Moderator
Ja, man spräche da von einem Plasmid-Vektor. "Vektor" heißt wie gesagt nur sowas wie "Dingensbummens, mit dem man die DNA reinbekommt". Das kann ein Plasmid, ein Virus oder sonstwas sein. In der Laborpraxis werden die Worte "Plasmid" und "Vektor" sogar häufig synonym verwendet, derart häufig ist ihre Bedeutungsgleichheit.
 
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Phosphor

Gast
Ah, gut. Mich hatte nur der Begriff "nackte DNA" etwas stutzig gemacht.

Ich will dich nicht überbeanspruchen (artet ja in ein Interview aus - antworte einfach nicht mehr, wenn's dir reicht ;)), aber...: Sind "die einzigen" Vorteile, den die viralen Vektoren bringen, dass eine stabile Genexpression (leichter?) erreicht werden kann und dass ein höhere Prozentsatz an Zielzellen erreicht wird?
Und: Wie wird das erreicht, v.a. warum klappt das bei den nicht-viralen Vektoren nicht so gut? Ich dachte eben, ich wüsste es, habe aber eine andere Quelle gefunden, die der ersten widersprach... grr.
 

Joffi

Moderator
Moderator
Weiter unten bin ich schon mal grob durch die Methoden gegangen und hab ein paar Stichworte dazugeschrieben, warum das nicht anständig in vivo funktioniert, schau noch mal. Ergänzend dazu vielleicht noch: In einem Zellkultursystem reicht es ja auch, ein paar Zellen zu erwischen, die man vermehren kann. Im lebenden Organismus (wo die Zellen sich i.d.R. nicht mehr teilen) muss schon alle kriegen, brauch also eine immense Effizienz. Hier sind Viren allen anderen überlegen, schließlich haben die Jungs ein paar Millionen Jahre Erfahrung darin ihr Erbgut in das unsere einzuschleusen.
Übrigens sollte man nicht aus den Augen verlieren: Auch das virale System funktioniert noch nicht anständig. Liefert nur die vergleichsweise "besten" Ergebnisse, wenn das angesichts verstorbener Testpersonen nicht makaber klingt.
 
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Phosphor

Gast
So, endlich wieder Internet... Danke noch mal. Das mit dem Gentransfer ist jetzt so gut wie alles klar, dank deinen Erklärungen und einem recht teuren, aber ausführlichen Buch. :)

Eine Frage noch: Stammen die therapeutischen Gene immer aus rekombinierter DNA des Patienten selbst?
 

Joffi

Moderator
Moderator
Nein, das ist völlig unnötig und würde das Ganze nur komplizierter machen. Man nimmt sich schlicht eine intakte Kopie von jemand anderem.
 
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Phosphor

Gast
Gut, so dachte ich mir das auch. Aber können diese "fremden" Teile die DNA des Patienten nicht auch negativ beeinflussen?

Btw, frohe Weihnachten! :)
 

Joffi

Moderator
Moderator
Heut is heilig Abend, was machen all die Leuts hier im Forum? Habt ihr kein zu Hause? :D Auf jeden Fall Fröhliche Weihnachten zurück!

Aber zu Deiner Frage: Nein, das ist schnurzpiep. Auf dieser molekularen Ebene hat man nicht die Probleme wie bei Organtransplantationen z.B., da diese Erbgutstücke bis aus letzte Atom so aussehen wie "eigene". Eine negative Auswirkung von Spender-DNA im Vergleich zur eigenen Patienten-DNA ist völlig ausgeschlossen. Wenn überhaupt ist es umgekehrt, da die Fehlerrate beim "korrigieren" der Patienten-DNA ungleich größer wäre.
 
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Phosphor

Gast
Huhu noch mal,

Wenn man aber einfach "irgendwelche" Spender-DNA zur Therapie nehmen kann, weshalb muss sie dann überhaupt noch aufwändig rekombiniert usw. werden? Steh aufm Schlauch...

Grüße
 

Joffi

Moderator
Moderator
Die Spender-DNA ist ja einfach nur ein genomisches Stück DNA. Um sie in einen Wirt zu bekommen, muss man sie in einen Vektor rekombinieren. Also z.B. in ein Plasmid, oder ins virale Genom oder so etwas.
 
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