„Verliebte sehen sich an, Liebende blicken in die gleiche Richtung“
Serielle Monogamie – eine feste Bindung auf Zeit – gilt den Wissenschaftlern als das ursprüngliche, geradezu naturgegeben Modell menschlichen Zusammenlebens. Frauen wechseln heute schneller den Partner, weil sie wirtschaftlich unabhängiger von einem Versorger seien.
Wie zerbrechlich ist also das kulturelle Korsett, das Mann und Frau das heilige Versprechen der Ehe bis zum Tod abgeben lässt? Sind Lust, Verliebtsein und sogar die Bindung zwischen Männern und Frauen wirklich nur von Hormonen kontrolliertes Suchtverhalten? Ist der liebende Mensch tatsächlich kaum mehr als ein liebender Affe?
Überraschend ist, dass es Frauen und Männer längere Zeit miteinander aushalten. Welche magischen Kräfte sind es, die zwei unterschiedliche Geschlechter eben doch lang genug zusammenschweißen und gegebenenfalls Nachwuchs groß zu ziehen? Es ist die Macht der Hormone.
Schon in dem Moment, in dem es „funkt“, wird vom körpereigenen Botenstoff gesteuert. Zunächst sind es Testosteron und Adrenalin, die Lust machen und den Organismus auf Hochtouren bringen. Die menschliche Balz vollzieht sich in vier Stufen. Am Anfang steht der leichte Augenaufschlag, Blickkontakt wird hergestellt, dann fallen die ersten Worte. Als Nächstes verleihen vermeintlich zufällige Berührungen die Würze. Das Herz rast, die Hände werden feucht, Blut schießt in die Lenden. Pheromone, die beispielsweise im Achselschweiß enthaltenen Duftstoffe der Liebe, werden ausgestoßen. Schließlich geraten die Körperbewegungen von Mann und Frau in Gleichtakt.
Der Serotonin - Spiegel sinkt bei Verliebten deutlich ab – ein Phänomen, das sonst vor allem bei Zwangsneurose beobachtet wird. Wie viele Neurotiker so sind auch Verliebte auf ein Objekt fixiert.
Auch der Testosteron – Spiegel verliebter Paare verändert sich. Normalerweise zirkulieren im Blut von Männern deutlich mehr des Sex- Hormons als bei Frauen. Einmal von der Liebe entflammt sinkt der Testosteron – Spiegel von Männern jedoch plötzlich ab, der von Frauen hingegen steigt an. Männer werden in gewisser Weise weiblicher, Frauen männlicher.
Vor allem sind es die Botenstoffe der Sucht wie Dopamin und Noradrenalien, die den Verstand übertölpeln. Tief in den uralten Zentren des Gehirns werden sie gebildet und gehören zum Belohnungssystem des Körpers, das auch beim Schnupfen von Kokain aktiv wird. Am Ende steht gegenseitige Abhängigkeit bis hin zur Hörigkeit. Selbst Gehirnschaltkreise, die für Planung und die kritische Bewertung anderer Personen zuständig sind, werden bei Verliebten quasi abgeschaltet.
Mit der Rückkehr zur biochemischen Normalität beginnen oft die Beziehungsprobleme.
Zwar gibt es wiederum spezielle Hormone, die für die langfristige Bindung sorgen können. Oxytocin und Vasopressin etwa sind verantwortlich für Vertrautheit, Wohlgefühl und Nähe.
Die Wissenschaft hat erstaunlich wenig anzubieten, wenn es darum geht, den langfristigen Übergang von der romantischen Liebe zur gereiften Beziehung zu erklären. Das Wenige ist nüchtern und erklärt all jene für naiv, die immer noch an die lebenslange Lieben glauben.
Quelle: Spiegel