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Artbildung, Speziation (engl. speciation)

Was versteht man unter Artbildung bzw. Speziation?
In der Evolutionsbiologie versteht man unter Artbildung bzw. Speziation versteht man den Prozess, bei dem aus aus einer Ausgangsart (Stammart, Mutterart) eine oder mehrere neue Arten entstehen.

Welche zwei grundlegenen Vorgänge der Artbildung werden unterschieden?
Zunächst sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgänge der Artbildung zu unterscheiden:

Artwandel (Anagenese)
Durch sich allmählich anhäufende Änderungen entwickelt sich aus der Ausgangsart eine neue Art. Die Ausgangsart wandelt sich also mit der Zeit in eine neue um. Durch diese Form der Artbildung erhöht sich die Zahl der vorhandenen Arten nicht.

Artaufspaltung (Divergenz)
Eine Ausgangsart spaltet sich in zwei (oder mehr) Tochterarten auf. Durch die Artaufspaltung erhöht sich die Zahl der Arten. Deshalb wird diese Form der Artbildung wird im Allgemeinen als die bedeutsamere angesehen, da sie die biologische Vielfalt erhöht.


Wie verläuft die Artbildung durch Artaufspaltung?

Im Folgenden wird nur die Form der Artbildung durch Artaufspaltung im Detail erläutert:

Eine neue Art entsteht, wenn Angehörige einer Fortpflanzungsgemeinschaft (der Ausgangs- bzw. Stammart) in zwei (oder mehr) getrennte Populationen aufgeteilt wurden, deren Mitglieder sich nach einer bestimmten Zeit nur noch innerhalb, aber nicht mehr zwischen den Populationen fortpflanzen.

Es werden generell drei Formen der Artbildung (durch Artaufspaltung) unterschieden:

1. die allopatrische Artbildung (allopatrische Speziation),
2. die parapatrische Artbildung (parapatrische Speziation) und
3. die sympatrische Artbildung (sympatrische Speziation).


Zu diesen drei Formen der Artbildung im Einzelnen:

1. die allopatrische Artbildung (allopatrische Speziation)

Infolge einer räumlichen (geographischen) Trennung der Stammart (Ausgangsart) entstehen zwei (oder mehrere) räumlich isolierte Gruppen (Populationen). Die räumliche Trennung bezeichnet man als Separation. In Folge der Separation kommt es zu einer Unterbrechung des Genflusses zwischen den beiden Populationen, sodass sich eine Fortpflanzungsbarriere entwickeln kann. Grundsätzlich ist die allopatrische Artbildung also ein Prozess in zwei Schritten: Auf die geographische Isolation (Schritt 1) folgt die reproduktive Isolation (Schritt 2).
Die allopatrische Artbildung gilt als die häufigste Form der Artbildung.

Unterformen der allopatrischen Artbildung sind die

dichopatrische Artbildung (Vikarianz-Speziation) und die
peripatrische Artbildung (Gründereffekt-Speziation)
.


2. die parapatrische Artbildung (parapatrische Speziation)
Zwei Populationen einer Ausgangsart besiedeln benachbarte Gebiete, die infolge unterschiedlicher ökologischer Faktoren zu unterschiedlichen Anpassungen führen. Im Grenzgebiet beider Gebiete kommt es in geringem Maße weiterhin zum Kontakt und zur Fortpflanzung zwischen den Angehörigen der benachbarten Populationen, sodass der Genfluss nicht gänzlich unterbrochen ist. Die gezeugten Mischlinge (Hybriden) zeigen hingegen eine geringere Fitness als die innerhalb der Populationen gezeugten Nachkommen, da sie schlechter angepasst sind. Im Laufe der Zeit kann es zu einer vollständigen Fortpflanzungsbarriere zwischen den benachbarten Populationen und somit zur Ausbildung zweier neuer Arten kommen, weil in beiden Gebieten unterschiedliche Selektionsfaktoren wirksam werden.
In der Natur ist es relativ schwer, im Nachhinein parapatrische Artbildung nachzuweisen, da als Ursache prinzipiell auch allopatrische Artbildung möglich gewesen sein kann.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Dunkelhäutige Echsen in Gebiet A sind vor Fressfeinden hervorragend auf den dort vorkommenden dunklen Felsen getarnt, die hellhäutigen Echsen in Gebiet B sind ihrerseits hervorragend getarnt auf dem hellen Felsuntergrund des Gebietes B. Individuen, die durch Kreuzung von Tieren beider Poulationen entstehen sind, zeigen als Mischlinge eine graue Färbung (intermediärer Phänotyp). Tiere mit grauer Färbung haben nun sowohl gegenüber den dunkel als auch den hell gefärbten Tieren der Gebiete A und B einen Selektionsnachteil, weil sie von Fressfeinden in beiden Gebieten leichter entdeckt werden.

Ergänzender Hinweis:
Die parapatrische Artbildung wird von einigen Autoren der allopatrischen Artbildung zugeordnet (z. B. von J. Zrzavý et al.: Evolution. Ein Lese-Lehrbuch. Heidelberg 2009: Spektrum; S. 371), sie kann aber auch als Sonderfall der sympatrischen Artbildung angesehen werden.

3. die sympatrische Artbildung (sympatrische Speziation)
Unter sympatrischer Artbildung versteht man die Bildung von Tochterarten innerhalb des Verbeitungsgebietes der Ausgangsart (Stammart). Nach der Vorstellung der sympatrischen Artbildung soll sich eine neue Art also ohne jede räumliche (geographische) Isolation bilden. Da sich die Individuen innerhalb eines Verbreitungsgebietes befinden, müssen deshalb besondere Fortpflanzungsbarrieren zugrunde liegen. Die sympatrische Artbildung wurde lange Zeit (insbesondere bei Tieren) für nicht möglich gehalten, da nicht klar war, wie unter diesen Umständen der Genfluss unterbunden werden konnte. Ursache für eine sympatrische Artbildung kann nach derzeitigem Wissen eine genetische Barriere sein.

Sympatrische Artbildung bei Pflanzen
Bei Pflanzen kann es z. B. durch fehlerhafte Verteilung der Chromosomen zu zusätzlichen Chromosomensätzen kommen, z. B. entsteht aus einem diploiden Chromosomensatz (2 n) ein tetraploider (4 n). Die tetraploide Pflanze kann sich selbst oder andere tetraploide Pflanzen bestäuben. Eine Kreuzung mit diploiden Pflanzen ist jedoch nicht mehr möglich (das Ergebnis der Verschmelzung wären triploide, unfruchtbare Pflanzen). Die Vervielfachung ganzer Chromosomensätze bezeichnet man allgemein als Polyploidisierung.

Sympatrische Artbildung bei Tieren
Sympatrische Artbildung kann - wenn auch seltener als bei Pflanzen - auch bei Tieren erfolgen. Möglich ist z. B., dass bei parasitisch lebenden Tieren einige den Wirt wechseln und auf diesem verbleiben, sodass in der Folge keine Paarungen mehr zwischen den Teilpopulationen stattfinden.
Aufgrund von Untersuchungen an Fossilien geht man davon aus, dass sympatrische Artbildung sich z. B. bei Foraminiferen ereignet hat. Bei Insekten könnte die sympatrische Artbildung möglicherweise sogar der "Normalfall" sein. Nachweise für sympatrische Artbildung gibt es auch für Fische und Lurche (Amphibien).





Siehe auch unter:

adaptive Radiation
Pfeil Extinktion
Ökoton
Parasit
Phänotyp
Selektionstypen

Literatur:


Internet:



Letzte Aktualisierung: 05.03.2013



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